Biden und Scholz warnen vor schwindender Ukraine-Hilfe, © Michael Kappeler/dpa
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, l) sitzt neben US-Präsident Joe Biden bei einem bilateralen Treffen im Oval Office im Weissen Haus. Für Scholz ist es bereits der dritte Besuch im Weißen Haus als Kanzler. Foto:  Michael Kappeler/dpa
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Biden und Scholz warnen vor schwindender Ukraine-Hilfe

Der deutsche Bundeskanzler Scholz war zu Gast in Washington. Im Zentrum standen die Kriege in der Ukraine und Nahost.

10.02.2024

Die Appelle werden drängender: US-Präsident Joe Biden und der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz haben eindringlich davor gewarnt, bei der Unterstützung der Ukraine nachzulassen. Scholz sagte nach einem Treffen mit Biden im Weissen Haus in Washington, wenn es nicht gelinge, ein Ja des US-Kongresses zu weiteren Finanzmitteln für Kiew zustande zu bringen, sei die Fähigkeit der ukrainischen Streitkräfte bedroht, das eigene Land gegen den russischen Angriffskrieg zu verteidigen.

"Wir sollten nicht drum herumreden: Für die Frage, ob die Ukraine in der Lage sein wird, das eigene Land zu verteidigen, ist die Unterstützung aus den Vereinigten Staaten unverzichtbar." Biden, der seit Monaten versucht, neue Milliarden-Hilfen durch das Parlament zu bringen, mahnte ein Scheitern des Kongresses, diese freizugeben, käme "krimineller Nachlässigkeit" gleich.

Die Probleme der grössten Waffenlieferanten
Die USA und Deutschland sind die mit Abstand wichtigsten Waffenlieferanten für die Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland. Scholz beziffert den Wert der von Deutschland gelieferten und zugesagten Rüstungsgüter auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die USA geben den Umfang ihrer Militärhilfe mit rund 41 Milliarden Euro an.

Sowohl Scholz als auch Biden haben gerade auf unterschiedliche Weise damit zu kämpfen, die Hilfe aufrechtzuerhalten. Der Kanzler hat zu Jahresanfang eine Initiative gestartet, um die EU-Partner - vor allem wirtschaftsstarke wie Frankreich, Spanien und Italien - zu mehr Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte zu bewegen. Der Erfolg ist bisher mässig.

Biden wiederum versucht seit Monaten, neue Milliarden-Hilfen für Kiew durch den Kongress zu bringen. Die Republikaner von Ex-Präsident Donald Trump blockieren das jedoch. Zuletzt signalisierten sie zwar zumindest im Senat etwas Bereitschaft, sich zu bewegen. Doch eine Lösung ist noch lange nicht in Sicht. Am Donnerstag hatte ein neues Gesetzespaket, das unter anderem 60 Milliarden Dollar (56 Milliarden Euro) für die Ukraine vorsieht, eine erste formale Hürde im Senat genommen. Noch laufen Verhandlungen dazu, und eine finale Abstimmung im Senat steht aus. Ob das Paket dort durchkommt - und vor allem, ob es in der anderen Parlamentskammer, dem Repräsentantenhaus, Chancen hat, ist noch offen.

Die andere Krise im Nahen Osten
Bei dem Gespräch der beiden im Oval Office sprachen Biden und Scholz auch über die Krise im Nahen Osten. Der Kanzler forderte Israel im Anschluss auf, bei seiner Militäroperation im Gazastreifen das Völkerrecht im Blick zu behalten. Auf eine Frage nach der von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu angeordneten Vorbereitung einer Militäroperation in der Stadt Rafah an der Grenze zu Ägypten sagte er: "Die Art der Kriegführung muss den Ansprüchen, die Israel an sich selber hat, aber die das Völkerrecht auch mit sich bringt, entsprechen."

Aus dem Weissen Haus hiess es nach dem Treffen, dass Biden und Scholz "die Bemühungen, eine regionale Eskalation im Nahen Osten zu verhindern" erörtert und ihr Bekenntnis zum Recht Israels auf Selbstverteidigung im Einklang mit dem Völkerrecht bekräftigt hätten. "Sie unterstrichen auch die Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zu schützen und die Lieferungen lebensrettender humanitärer Hilfe zu erhöhen."

Netanjahu hatte kurz zuvor der Armee den Befehl erteilt, die Offensive auf Rafah vorzubereiten. "Es ist unmöglich, das Kriegsziel der Eliminierung der Hamas zu erreichen, wenn vier Hamas-Bataillone in Rafah verbleiben", liess er über sein Büro mitteilen. Die Pläne, die die Militärführung der Regierung vorlegen soll, müssten auch die Evakuierung der Zivilisten in Rafah beinhalten, hiess es in der Mitteilung.

Eine Militäroffensive in Rafah, das ganz im Süden des Gazastreifens liegt und an Ägypten grenzt, gilt als hochproblematisch. In dem Ort, der vor dem Krieg rund 300'000 Einwohner hatte, sollen sich derzeit 1,3 Millionen Menschen aufhalten. Die meisten von ihnen flohen vor dem Krieg aus anderen Teilen des Gazastreifens dorthin, zum Teil auf Anordnung des israelischen Militärs.