Das Bündner Dorf Brienz muss bis Sonntagmittag evakuiert werden, © Keystone/SDA
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Das Bündner Dorf Brienz muss bis Sonntagmittag evakuiert werden

Das von einem Schuttstrom bedrohte Bündner Dorf Brienz/Brinzauls muss bis am Sonntagmittag evakuiert werden. Dies hat der Gemeindevorstand von Albula beschlossen. Alle Bewohnerinnen und Bewohner müssen das Dorf verlassen. Die Evakuierung könnte mehrere Monate andauern.

12.11.2024

Der Frühwarndienst der Gemeinde Albula, zu der das Dorf Brienz/Brinzauls gehört, analysierte gemäss einer Mitteilung der Gemeinde vom Dienstag die Gefahrenlage zusammen mit der Fachgruppe Geologie und Naturgefahren sowie weiteren Geologen. Auf Empfehlung des Gemeindeführungsstabes sei die vorsorgliche Evakuierung angeordnet worden.

In der Schutthalde hoch über Brienz/Brinzauls bewegen sich seit der zweiten Septemberhälfte rund 1,2 Millionen Kubikmeter Felsschutt mit einer Geschwindigkeit von 20 bis 35 Zentimetern pro Tag talwärts. Es bestehe die Gefahr, dass er sich löst und dann als schneller Schuttstrom in Richtung des Dorfes abgleitet, hiess es in der Mitteilung weiter.

Nach Einschätzung der Geologen und Naturgefahrenexperten sei es am wahrscheinlichsten, dass sich die Schutthalde wieder beruhigt. Ein Schuttstrom bis in das Dorf ist gemäss Mitteilung aber nicht auszuschliessen. "Eine solche Steinlawine könnte Geschwindigkeiten von 80 oder mehr Stundenkilometern erreichen", schrieb die Gemeinde weiter. Eine teilweise oder sogar die gesamte Zerstörung des Dorfes könnte die Folge sein.

Betreten des Dorfes ist verboten
Gemeindevorstand und Gemeindeführungsstab möchten den Betroffenen möglichst viel Zeit für eine Evakuierung geben, hiess es. Die Frist zum Verlassen des Dorfes sei auf 13 Uhr am Sonntagmittag festgelegt worden. Bis dahin müssen auch sämtliche Tiere weggebracht werden.

Aus Sicherheitsgründen gilt für das Dorf Brienz/Brinzauls ab sofort ein Betretungsverbot. Die Zufahrtsstrassen zur Ortschaft sind gemäss der Mitteilung gesperrt. Einzig Bewohnerinnen und Bewohner sowie Besitzerinnen und Besitzer von Zweitwohnungen, die Gebäude evakuieren, hätten Zutritt.

Als Reaktion auf die bevorstehende Evakuierung sicherte die Regierung des Kantons Graubünden der Ortschaft Brienz/Brinzauls eine Soforthilfe von einer halben Million Franken zu. Dieser Beitrag soll gemäss einer Mitteilung der Regierung unter anderem helfen, ungedeckte Umzugs- und Mietkosten zu decken. Über die Verteilung entscheide die Gemeinde Albula in Koordination mit der Spendenkommission.

Mehrere Millionen für Entwässerungsstollen
Bereits früher ist für die Betroffenen ein Fonds mit mehreren Millionen Franken eingerichtet worden. Dieser soll Schäden an Häusern decken, die entstanden sind, weil das gesamte Dorf derzeit 2,4 Meter pro Jahr talwärts rutscht. Dieses Geld fliesse allerdings erst, wenn das Dorf nicht mehr als zehn Zentimeter pro Jahr rutsche, hatte ein Vertreter der kantonalen Gebäudeversicherung in den vergangenen Tagen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärt.

Die Bevölkerung des bedrohten Bergdorfes war bereits am Samstagabend an einem Informationsanlass über die mögliche und mittlerweile beschlossene Evakuierung informiert worden.

Während dieser Veranstaltung hatte Albulas Gemeindepräsident Daniel Albertin auch auf den laufenden Bau eines 2,3 Kilometer langen und 40 Millionen Franken teuren Entwässerungsstollens unterhalb des Dorfes verwiesen. Dieser soll die Landmasse entwässern und so den Druck auf die Rutschungen reduzieren. Der Stollen soll Ende 2027 fertig sein.

Brienz ist bereits einmal evakuiert worden
Die rund 80 Bewohner von Brienz/Brinzauls mussten ihre Häuser bereits im Mai 2023 verlassen, weil sich Geröll und Gestein oberhalb des Dorfes so stark bewegten, dass die Behörden einen grösseren Felssturz oder Schuttstrom befürchteten, der das ganze Dorf hätte fortreissen können.

Der Schuttstrom kam schliesslich in der Nacht zum 16. Juni 2023. Riesige Gesteinsmengen schossen den Hang hinab, begruben eine Strasse und Wiesen meterhoch unter Schutt und kamen wenige Meter vor dem Ort zum Stillstand. Anfang Juli 2023 konnten die Brienzerinnen und Brienzer nach rund eineinhalb Monaten in ihre Häuser zurückkehren.