Durchwachsenes Deutschschweizer Medienecho zu Amherds Rücktritt
Die Deutschschweizer Medien haben mit Lob an Viola Amherd gespart nach der Bekanntgabe ihres Rücktritts aus dem Bundesrat. Zwar habe sie Bewegung in ihr Verteidigungsdepartement VBS gebracht und auch "Pflöcke eingeschlagen", zu viele Dinge seien ihr aber auch aus dem Ruder gelaufen, war am Mittwoch der Tenor.
16.01.2025
"Angesichts der geopolitischen Lage hätte Amherd als Verteidigungsministerin eine Schlüsselrolle einnehmen können", schreibt die "NZZ". Schliesslich stehe die Armee vor der grössten Herausforderung seit dem Kalten Krieg. Doch das erweise sich in Zeiten drohender struktureller Defizite als Kraftakt, die Finanzierungsfrage zersplittere das bürgerliche Lager bis in den Bundesrat.
"Gefragt wäre daher eine starke Führung mit einem klaren Plan, der es gelingt, Mehrheiten zu schaffen", so die "NZZ" weiter. Amherd sei das nicht gelungen. Stattdessen seien während des Jahres 2024 immer wieder Missverständnisse, Pleiten, Pech und Pannen im Verteidigungsdepartement nach aussen gedrungen, "während die Chefin in der Welt herumjettete".
SRF: Moment grossen Drucks
Viola Amherd habe ihren Rücktritt als Bundesrätin in einem Moment grossen Drucks angekündigt, schreibt das Schweizer Radio und Fernsehen SRF. Mit der SVP habe die grösste Partei ihren Rücktritt gefordert, mehrere Grossprojekte aus ihrem Departement seien in Schieflage, die Ruag sorge für Skandale und die Diskussionen um eine reale oder fiktive Finanzlücke in der Armee klängen nach.
Doch Amherd habe in ihrer sechsjährigen Amtszeit "durchaus auch Pflöcke einschlagen" können. So habe sie es im Gegensatz zu ihrem Vorgänger Ueli Maurer im Herbst 2020 geschafft, das Stimmvolk von neuen Kampfjets zu überzeugen.
"Blick": Laden nicht im Griff gehabt
Viele Probleme habe Amherd schon von ihren SVP-Vorgängern geerbt, schreibt der "Blick". Aber auch sie habe "den Laden nicht in den Griff bekommen". Hinzu komme, dass die Fehlerkultur im VBS nicht sehr ausgeprägt zu sein scheine. Probleme würden klein- oder gleich ganz weggeredet, gegen aussen und innen.
Kritiker würden Amherd zudem vorwerfen, statt Probleme im eigenen Departement zu lösen, sich lieber ins internationale Schaufenster zu stellen und parallel dazu die Armee immer weiter in Richtung Nato zu rücken.
"Watson": Die Nase voll
"Der Abgang so kurz nach dem Ende ihres Präsidialjahres lässt einen Verdacht aufkommen: Sie hat die Nase gestrichen voll", schreibt "Watson" in seinem Kommentar zu Amherds Rücktritt.
Die Verteidigungsministerin habe genug gehabt von den Pannen im VBS, genug von den Querelen mit Karin Keller-Sutter um das Militärbudget, "genug vom Genöle der Bürgerlichen wegen der angeblich fehlenden Strategie zur Aufrüstung der Armee".
Obwohl sie zuvor nichts mit Sicherheitspolitik am Hut gehabt habe, habe Amherd mehrere Gelegenheiten zu einem Departementswechsel ungenutzt verstreichen lassen. Als Höhepunkte ihrer Amtszeit liessen sich das knappe Ja des Stimmvolks zum Kampfjet F-35 sowie die Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock im letzten Jahr einstufen, urteilt "Watson".
CH Media: Partei vor einer Zerreissprobe
Die Rücktrittsankündigung von Amherd hat nach Auffassung der CH-Media-Zeitungen nichts mit den Rücktrittsaufforderungen der SVP vom vergangenen Wochenende zu tun. "Amherd hat ihren Entscheid angeblich allein - um nicht zu sagen: einsam - gefällt", kommentiert CH Media.
Damit stelle sie die Partei vor eine Zerreissprobe, "bei der mithin die Zukunft der Partei auf dem Spiel steht". Für die Mitte sei Amherds Nachfolge "eine Richtungswahl, die für die Zukunft der Partei insgesamt eine wegweisende Bedeutung hat", schreibt CH Media.
"Tages-Anzeiger": Die Ausnahme der Regel
"Ausnahmefälle. Sie prägten - ja dominierten - Viola Amherds Zeit als Verteidigungsministerin", schreibt der "Tages-Anzeiger". Die erste Ausnahme ihrer Amtszeit sei sie selbst gewesen. Als erste Frau überhaupt habe sie das Verteidigungsministerium übernommen. Und auch die letzte Ausnahme bilde Amherd selbst: "So unprätentiös und unspektakulär hat noch kaum jemand seinen Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt gegeben."