Entsetzen über Nachricht von Nawalnys Tod
Auch Liechtensteins Aussenministerin Dominique Hasler meldet sich in ihrer Funktion als Vorsitzende des Ministerkomitees des Europarates.
In einer gestern veröffentlichten Mitteilung spricht sie von einem traurigen Tag für die Verteidiger von Freiheit, Demokratie und Menschenrechten in Europa. Von diesen Werten habe sich Russland seit Beginn des Angriffskrieges gegen die Ukraine immer stärker abgewendet.
Die Verantwortung für Nawalnys Tod liege bei Russland, so Hasler.
Bereits im Dezember verurteilte das Ministerkomitee die Tatsache, dass Nawalny immer noch im Gefängnis sass, trotz Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die geforderte sofortige Freilassung fand nie statt.
Die Pressemitteilung von Dominique Hasler finden Sie unter folgendem Link: Statement
Viele Beobachter machten Präsident Wladimir Putin direkt für den Tod seines 47 Jahre alten Kritikers verantwortlich, über den am Freitag zuerst russische Staatsmedien unter Berufung auf den Strafvollzug berichtet hatten. Auch US-Staatschef Joe Biden wählte scharfe Worte in Richtung Putin. Nawalnys ins Exil geflohenes Team teilte mit, dass es zwar keine Hoffnung mehr habe, dass der Oppositionspolitiker doch noch leben könnte. Dennoch werde es seinen Tod erst dann offiziell bestätigen, sobald ein Anwalt in Nawalnys Straflager im äussersten Norden Russlands eingetroffen sei. Das wurde für Samstagmorgen erwartet.
Mitarbeiter: Nawalny "höchstwahrscheinlich" tot
"Wir verstehen, dass es höchstwahrscheinlich so passiert ist, dass Alexej Nawalny getötet wurde. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit", sagte der im Exil lebende Direktor von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, am Abend während einer Liveschalte auf Youtube. An seiner Seite sass Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch.
"Wir werden euch keine Lügen erzählen darüber, dass es irgendeine Hoffnung gibt, dass sich morgen herausstellt, dass das nicht wahr ist", sagte der bekannte Nawalny-Unterstützer. "Eine solche Chance ist geringfügig." Schdanow fügte hinzu: "Derzeit deutet alles darauf hin, dass sich tatsächlich ein Mord ereignet hat – der Mord an Alexej Nawalny im Gefängnis. Und getötet hat ihn (Wladimir) Putin."
Sprecherin Jarmysch betonte, dass das Team nach wie vor keine eigene Bestätigung für den Tod Nawalnys habe. Ein Anwalt sei gemeinsam mit Verwandten auf dem Weg zum Straflager im hohen Norden Russlands, werde dort aber voraussichtlich erst am Samstagmorgen eintreffen. "Bis zu diesem Moment können wir keine Bestätigung bekommen. Deshalb können wir die Berichte all der Kreml-Nachrichtenagenturen darüber, dass Nawalny tot ist, offiziell nicht bestätigen oder dementieren."
Biden: Putin ist verantwortlich für Nawalnys Tod
US-Präsident Biden machte unterdessen Kremlchef Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich. Man wisse zwar nicht genau, was passiert sei, aber es gebe keinen Zweifel daran, dass der Tod Nawalnys eine Folge von Putins Handeln und dem seiner Verbrecher sei, sagte Biden im Weissen Haus. "Putin ist verantwortlich." Biden sagte weiter, er sei angesichts der Nachricht von Nawalnys Tod schockiert, aber nicht überrascht.
Putin habe Nawalny vergiftet, ihn verhaften und wegen erfundener Verbrechen anklagen lassen, sagte der US-Präsident. Er habe ihn in Isolationshaft gesteckt. Doch all das habe Nawalny nicht davon abgehalten, Lügen anzuprangern, sogar im Gefängnis. "Er war eine mächtige Stimme für die Wahrheit", erklärte Biden mit Blick auf Nawalny, der 2020 nur knapp einen Giftanschlag überlebte, sich anschliessend in Deutschland erholte und 2021 nach seiner Rückkehr nach Russland inhaftiert wurde.
Scholz: Nawalny bezahlte "Mut mit seinem Leben"
Auch viele europäische Politiker reagierten entsetzt. Bundeskanzler Olaf Scholz sagte: "Wir wissen aber nun auch ganz genau, spätestens, was das für ein Regime ist", sagte der SPD-Politiker. Er erinnerte bei einer Pressekonferenz mit dem ukrainischen Präsident Wolodymyr Selenskyj daran, wie er Nawalny in Berlin getroffen habe, als dieser sich in Deutschland von dem Giftanschlag zu erholen versucht habe. Dabei habe er mit Nawalny auch über den grossen Mut geredet, den es erfordere, wieder zurückzugehen in das Land. Scholz: "Und wahrscheinlich hat er diesen Mut jetzt bezahlt mit seinem Leben."
Kreml bezeichnet westliche Reaktionen als "überdreht"
Kremlsprecher Dmitri Peskow bezeichnete die Reaktionen westlicher Politiker derweil als "überdreht" und "inakzeptabel". Es gebe noch keine genauen Informationen von Medizinern, Gerichtsmedizinern oder dem Strafvollzug, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Trotzdem gebe es bereits Reaktionen aus dem Westen. "Es ist offensichtlich, dass das absolut überdrehte und absolut inakzeptable Aussagen sind. Sie sind inakzeptabel", kritisierte Peskow demnach. "Mehr habe ich zu diesem Thema nicht zu sagen."
Nawalnys Frau ruft zum Kampf gegen russischen Machtapparat auf
Nawalnys Frau Julia Nawalnaja wiederum rief zum Kampf gegen Putins Machtapparat auf. "Ich möchte die gesamte internationale Gemeinschaft, all diejenigen in der Welt, die jetzt zuhören, dazu aufrufen, zusammenzustehen und dieses Böse zu besiegen, dieses furchtbare Regime, das heute über Russland herrscht", sagte Nawalnaja in einer kurzfristig anberaumten Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Dieses Regime und Wladimir Putin persönlich sollten zur Verantwortung gezogen werden für all diese Gräueltaten, die sie in den letzten Jahren in meinem Land, in unserem Land Russland verübt haben."
Weltweites Gedenken an Nawalny - auch in Russland
Die Nachricht von Nawalnys Tod verbreitete sich rasant - und löste weltweit Trauer, Schock und Wut aus. In vielen verschiedenen Ländern brachten Menschen Blumen und organisierten spontane Kundgebungen. Vor der russischen Botschaft in Berlin etwa versammelten sich mehr als 1000 Menschen. Auch in Hamburg, Düsseldorf und weiteren deutschen Städten gab es Proteste.
Selbst in Russland, wo Proteste äusserst hart unterdrückt werden, trauten sich vielerorts Dutzende Menschen auf die Strassen. Trotz eines hohen Polizeiaufgebots standen beispielsweise im Moskauer Stadtzentrum Menschen zwischenzeitlich Schlange, um Blumen an einer Gedenkstelle für Opfer politischer Repression abzulegen. Auch aus St. Petersburg, Jekaterinburg, Nischni Nowgorod und mehreren anderen Orten gab es ähnliche Bilder. Manche Leute brachten Fotos von Nawalny mit, einige weinten und lagen sich in den Armen. Die Polizei ging hart gegen trauernde Unterstützer vor. In mehreren russischen Städten, unter anderem in Moskau, wurden bis zum späten Freitagabend mehr als 100 Menschen bei Gedenkveranstaltungen festgenommen, wie die Bürgerrechtsorganisation Ovd-Info mitteilte.
"Gebt nicht auf!" - Russen machen sich mit alter Nawalny-Aussage Mut
Viele kritische Russen machten sich darüber hinaus in sozialen Netzwerken mit einer früheren Aussage des Kremlgegners Mut. Unter anderem auf Instagram, Telegram und X (früher Twitter) teilten zahlreiche Menschen und Medien einen Ausschnitt aus dem Dokumentarfilm "Nawalny" des kanadischen Regisseurs Daniel Roher, der zwar erst im Jahr 2022 erschien, aber teils noch vor der Inhaftierung des Oppositionellen Anfang 2021 gedreht worden war.
Der Putin-Gegner wird in dem mit mittlerweile mit einem Oscar ausgezeichneten Film gefragt: "Alexej, falls du verhaftet und ins Gefängnis gesteckt wirst oder falls das Undenkbare eintritt und sie dich töten: Welche Botschaft wirst du dem russischen Volk hinterlassen?" Nawalny antwortet daraufhin: "Für den Fall, dass ich getötet werde, ist meine Botschaft sehr einfach: Gebt nicht auf!"