Nach Tod von Hamas-Anführer droht Eskalation
Nach einem israelischen Luftangriff steigt Rauch über Gebäuden auf.
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Nach Tod von Hamas-Anführer droht Eskalation

Die Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon hat zu einer weiteren gefährlichen Eskalation des Konflikts mit Israel geführt und die Verhandlungen zur Freilassung der Geiseln im Gazastreifen torpediert.

03.01.2024

Während Israels Militär Berichte über eine gezielte Tötung von Saleh al-Aruri nicht kommentieren wollte, kündigte die Hisbollah-Miliz im Libanon am Dienstagabend Vergeltung an: "Dieses Verbrechen wird niemals ohne Antwort oder Strafe vorübergehen." Fortschritte, um einen Geisel-Deal zu erreichen, seien nun nicht mehr möglich, meldete die israelische Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise.

Hamas und Hisbollah geben Israel die Schuld

Der Vize-Leiter des Politbüros der Hamas war bei einer Explosion in Libanons Hauptstadt Beirut ums Leben gekommen, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Kreisen der Hisbollah am Dienstagabend erfuhr. Insgesamt starben dabei laut der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sieben Menschen, darunter auch zwei Anführer des bewaffneten Arms der Hamas. Die Terrororganisation gab umgehend Israel die Schuld.

Al-Aruri, den Israel als Drahtzieher von Anschlägen im Westjordanland sah, galt schon länger als mögliches Anschlagsziel. Er soll für die Aktivitäten des militärischen Hamas-Arms im Westjordanland zuständig gewesen sein. Israel übernahm aber keine Verantwortung für al-Aruris Tötung, wie der Sicherheitsberater israelischen Regierung betonte.

Israels Sicherheitsberater um Entschärfung bemüht

"Wer auch immer das getan hat, es muss klar sein, das dies keine Attacke auf den libanesischen Staat war. Es war nicht einmal eine Attacke auf die Hisbollah", sagte Mark Regev dem US-Fernsehsender MSNBC im offensichtlichen Bemühen um eine Entschärfung der explosiven Lage. Der mutmassliche Angriff habe allein der Hamas gegolten.

Der französische Präsident Emmanuel Macron forderte die israelische Regierung auf, "jedes eskalierende Verhalten, insbesondere im Libanon, zu vermeiden". Das teilte der Élyséepalast in Paris am Dienstagabend nach einem Telefonat Macrons mit Benny Gantz, Minister in Israels Kriegskabinett, Medienberichten zufolge mit. Frankreich werde diese Botschaften der Zurückhaltung weiterhin an alle direkt oder indirekt beteiligten Akteure in dem Gebiet weitergeben, hiess es.

Hisbollah-Chef plant Rede

Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Dabei gab es auf beiden Seiten Tote. Es wird befürchtet, dass die Tötung von al-Aruri den Konflikt nun eskalieren könnte. Hinweise darauf könnte es an diesem Mittwoch geben - in einer am Abend geplanten Rede von Hassan Nasrallah, dem Chef der Hisbollah.

Erster Vergeltungsangriff gegen Israel

Ihre Kämpfer seien "in höchster Stufe der Bereitschaft", teilte die Hisbollah am Dienstag mit. Noch am Abend unternahm die Miliz nach ihren eigenen Angaben einen ersten Angriff auf eine Gruppe israelischer Soldaten nahe der Grenze. Dabei habe es Tote und Verletzte gegeben. Israelischen Medienberichten zufolge rechnet die Armee nun auch mit Beschuss von Raketen grösserer Reichweite. Die schiitische Hisbollah gilt als deutlich schlagkräftiger als die Hamas.

Hisbollahs Tunnelsystem rückt in den Blick

Wie die Hamas soll sie zudem über ein Tunnelsystem verfügen, das einem Medienbericht zufolge weit ausgefeilter sei als das der Hamas. Die unterirdischen Tunnel verliefen im Süden Libanons über Hunderte Kilometer bis zur Grenze nach Israel hinein, zitierte die "Times of Israel" am Dienstag den Geheimdienstexperten Tal Beeri.

Die Hamas nutzt ihr eigenes Tunnelnetz als Schutz vor Israels massiven Bombardierungen und um sich zu verstecken. Ausserdem nutzen die Terroristen die Tunnel, um aus dem Nichts aufzutauchen und hinterrücks die heranrückenden israelischen Soldaten anzugreifen. Auch sollen die Terroristen darin noch Geiseln aus Israel festhalten.

Bericht: Keine Aussicht auf Verhandlung über Geisel-Deal

Unter der Vermittlung Katars, Ägyptens und der USA hatten sich Israel und die Hamas Ende November auf eine mehrtägige Feuerpause geeinigt. Während dieser Zeit wurden einige Geiseln im Austausch gegen palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen freigelassen. Nach der mutmasslichen Tötung von al-Aruri sind die Verhandlungen über ein mögliches neues Geisel-Abkommen zwischen den Kriegsparteien laut der Zeitung "Haaretz" zum Stillstand gekommen.

Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern, meldete die israelische Zeitung am Dienstagabend unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Das "Attentat" habe die Situation verändert.

USA üben scharfe Kritik an israelischen Ministern

Derweil kritisierte das US-Aussenministerium Äusserungen aus Israels Regierung zu einer möglichen Vertreibung von Palästinensern aus dem Gazastreifen scharf. "Die Vereinigten Staaten weisen die jüngsten Äusserungen der israelischen Minister Bezalel Smotrich und Itamar Ben-Gvir zurück, die sich für die Umsiedlung von Palästinensern ausserhalb des Gazastreifens aussprechen", teilte der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, am Dienstag mit.

"Diese Rhetorik ist aufrührerisch und unverantwortlich", sagte er. Der rechtsextreme Polizeiminister Ben-Gvir verbat sich jegliche Kritik aus den USA in der Sache: "Ich schätze die Vereinigten Staaten von Amerika sehr, aber bei allem Respekt, Israel ist kein weiterer Stern auf der amerikanischen Flagge", schrieb er auf X und fügte hinzu: "Die Vereinigten Staaten sind unser guter Freund, aber wir werden vor allem das tun, was für Israel das Beste ist."

Neue Vorwürfe der WHO gegen Israels Armee

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warf Israel derweil "skrupellose" Angriffe auf ein Krankenhaus in der umkämpften Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens vor. Nach Angaben des palästinensischen Rettungsdienstes Roter Halbmond seien bei den Angriffen mindestens fünf Zivilisten getötet worden, darunter ein fünf Tage alter Säugling, schrieb WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus auf der Online-Plattform X, früher Twitter, in der Nacht zu Mittwoch.