Sexarbeiterinnen erleben auch in der Schweiz häufig Gewalt
Sexarbeiterinnen erleben auch in der Schweiz häufig Gewalt. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie. Im Auftrag der Organisation Procore haben Forscherinnen dafür 24 Personen aus allen Sprachregionen befragt.
Es handle sich nicht um eine repräsentative Befragung, sondern um eine explorative Studie, betonten die Verantwortlichen am Donnerstag an einer Medienkonferenz in Bern. Die Ergebnisse entsprächen dem, was man aus ähnlichen Erhebungen im Ausland wisse.
Rund 70 Prozent der Befragten berichteten demnach von sogenanntem Stealthing - also dem Entfernen des Kondoms gegen ihren Willen. Rund die Hälfte erlebten Diskriminierung, Beleidigungen oder Diebstähle von Geld oder Gegenständen.
Täter sind laut Studie in einem Grossteil der Fälle Freier. Gewalt gegen Sexarbeitende geht jedoch auch von Passantinnen, Kolleginnen und Ehepartnern aus.
Gegen Sexkaufverbot
Ursache der Gewalt sei nicht die Sexarbeit als solche, sondern deren Stigmatisierung, argumentierte die Organisation im Communiqué. Diese senke die Hemmschwelle, Gewalt auszuüben, liess sich Rebecca Angelini von Procore zitieren. Zudem erkläre sich die Situation durch den Umstand, dass Frauen generell einem höheren Gewaltrisiko ausgesetzt seien als Männer, und dadurch, dass viele der Betroffenen Migrantinnen seien.
Entsprechend wendet sich Procore denn auch gegen ein Verbot des Kaufens von Sex und die Besrafung von Freiern, wie sie unter anderem Schweden und Frankreich kennen. In der Schweiz lehnte der Nationalrat eine entsprechende Motion im Juni 2022 ab.
Wo Sexarbeit legal sei, nehme die Gewalt generell ab, wendet Procore gegen das sogenannte Nordische Modell ein. Ausserdem sinke die Hemmschwelle, sich an spezialisierte Stellen oder die Polizei zu wenden.
Forderungen an die Politik
Procore stellte in diesem Zusammenhang an der Medienkonferenz auch eine Reihe politischer Forderungen: Insbesondere müssten Gewalttaten angezeigt werden können, ohne dass den betroffenen Frauen ausländerrechtliche Konsequenzen drohten. Zudem müsse die Öffentlichkeit dafür sensibilisiert werden, dass Stealthing gemäss dem neuen Sexualstrafrecht strafbar sei.
Um diese Anliegen voranzutreiben, stellte Procore eine neue Koalition zivilgesellschaftlicher Organisationen vor. Teil des Bündnisses sind unter anderem Amnesty International, die Aids-Hilfe Schweiz, der Schweizerische Katholische Frauenbund und das Sexworkers Collective Schweiz, in dem sich Sexarbeitende organisiert haben.
Procore bezeichnet sich auf seiner Website als nationales Netzwerk, das sich für die Rechte und Anliegen Sexarbeitender einsetzt. Die Organisation anerkennt nach eigener Aussage Sexarbeit als gesellschaftliche Realität und setzt sich zugleich gegen Ausbeutung und Menschenhandel ein.