Ukraine-Konferenz erhöht Druck auf Russland, © KEYSTONE /ALESSANDRO DELLA VALLE
Die Schweizer Bundespräsidentin Viola Amherd  und der ukrainische Präsident Selenskyj  KEYSTONE /ALESSANDRO DELLA VALLE

Ukraine-Konferenz erhöht Druck auf Russland

Russland nimmt an dem Treffen auf dem Bürgenstock über dem Vierwaldstättersee nicht teil.

16.06.2024

Die Teilnehmenden aus rund hundert Staaten haben den Druck auf Moskau erhöht, einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Gastgeberin Viola Amherd dämpfte die Erwartungen, sprach aber von einem "ersten entscheidenden Schritt."

Um 17.50 Uhr eröffnete Bundespräsidentin Amherd die Konferenz im Nidwaldner Luxusresort auf dem Bürgenstock über dem Vierwaldstättersee offiziell. In ihrer fünfminütigen Rede appellierte sie an alle Anwesende, sich für das Ziel eines dauerhaften Friedens einzusetzen.

Sie habe jedoch keine Illusionen, dass die Teilnehmenden bis am Sonntagabend zu einer abschliessenden Einigung kommen würden. "Hier auf dem Bürgenstock werden wir aber alle einen ersten entscheidenden Schritt machen."

Auch wenn noch lange nicht über alle Punkte Konsens herrsche, so gelte es, "Wort für Wort, Vorschlag für Vorschlag, Schritt für Schritt" vorwärtszukommen, sagte Amherd. "Wir haben alle ein existenzielles Interesse an Frieden." Deshalb müsse nun der Weg dazu geebnet werden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unterstrich dieses Ziel in seiner Eröffnungsrede: "Wir sind heute hier, um einen gerechten Frieden zu fördern", sagte er. Die Staatengemeinschaft müsse dem Krieg Russlands gegen die Ukraine Einhalt gebieten.

"Ich bin überzeugt, dass wir hier an diesem Gipfel Geschichte schreiben", hielt Selenskyj fest. Die Versammlung von 101 Staaten und Organisationen an der Konferenz zeige, dass eine vereinte Welt stärker sei als ein einziger Aggressor, Russlands Präsident Wladimir Putin.

"Wir wollen der Diplomatie eine Chance geben", so Selenskyj. Dabei müsse das Rad nicht neu erfunden werden. Die Uno-Charta für Weltfrieden bestehe bereits. Es gehe darum, dazu zurückzukehren. "Wäre Russland am Frieden interessiert, gäbe es keinen Krieg.

Zahlreiche Staats- und Regierungschefs nahmen denn auch Russland in die Pflicht. US-Vizepräsidentin Kamala Harris kritisierte Putin scharf. Dieser habe bisher faire Friedensverhandlungen stets abgelehnt.

Zwar müsse Russland früher oder später in den Friedensprozess einbezogen werden, sagte Harris am Samstagabend. Moskau habe bisher aber nicht zu Verhandlungen Hand geboten, sondern die Ukraine zur Aufgabe aufgefordert.

Putin forderte unmittelbar vor dem Gipfel als Bedingung für ein Ende der Kampfhandlungen von der Ukraine den vollständigen Verzicht auf die Gebiete Donezk, Luhansk, Cherson, Saporischschja und die Schwarzmeer-Halbinsel Krim. Das ukrainische Aussenministerium wies das als absurd und manipulativ zurück.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen appellierte an die Konferenzteilnehmenden, die Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine wiederherzustellen. Es sei Aufgabe der internationalen Gemeinschaft, zusammenzustehen, um die Ukraine bei ihrem Bestreben nach Frieden zu unterstützen.

Der deutsche Kanzler Olaf Scholz betonte, dass ein Waffenstillstand ohne Roadmap gefährlich sei für die langfristige Perspektive der Ukraine. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron unterstrich dies: "Ein Frieden wird nicht durch eine Kapitulation erreicht werden."

Konsens herrschte darüber, dass ein Friedensprozess ohne Russland nicht denkbar ist. Auch Andrij Jermak, Leiter des ukrainischen Präsidialamts, zeigte sich grundsätzlich offen, Russland bei einer nächsten Friedenskonferenz dabei zu haben. Zuvor müssten aber Prinzipien und Bedingungen dafür diskutiert werden.

"Es muss von allen Seiten anerkannt werden, dass wir Opfer eines Aggressors sind", sagte Jermak am Samstagnachmittag auf dem Bürgenstock vor Medienschaffenden. Danach könne man auch mit Russland in einen "offenen Dialog" treten.

Die Konferenz geht am heutigen Sonntag weiter. Die Delegationen werden dann beispielsweise auch über den Getreideexport aus der Ukraine, die Sicherheit des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja, eine Absage an den Einsatz von Atomwaffen und humanitäre Fragen wie den Gefangenenaustausch debattieren.

Ob es eine von allen Staaten akzeptierte Schlusserklärung geben wird, war zunächst offen. Es soll zudem ein Gastgeber für eine nächste Konferenz bekannt werden. Im Gespräch war unter anderem Saudi-Arabien.