Raubkunst-Doku von Mati Diop gewinnt Hauptpreis der Berlinale
Zum zweiten Mal in Folge hat gestern Abend ein Dokumentarfilm den wichtigsten Preis der Berlinale, den Goldenen Bären, gewonnen: "Dahomey" von der in Frankreich geborenen Regisseurin Mati Diop.
Ihr Film setzt sich mit der Rückgabe von Kunstschätzen auseinander, die 1892 aus dem westafrikanischen Benin, einst Dahomey, geraubt wurden. "Zurückzugeben heisst, Gerechtigkeit zu üben", sagte Diop, als sie den Preis entgegennahm.
Die 41-Jährige mit senegalesischen Wurzeln begleitet in "Dahomey" 26 Statuen auf der Reise aus Frankreich in ihr Ursprungsland. Insgesamt wurden vor rund 130 Jahren etwa 7000 Kunstwerke gestohlen, die sich noch heute in Frankreich befinden.
Doku mit einer sprechenden Statue
Die experimentelle Doku fesselt mit poetischen Passagen - zum Beispiel spricht mehrmals eines der Kunstwerke aus dem Off. Ein Teil des Films zeigt eine Diskussion in Benin unter überwiegend jungen Menschen. Dabei streiten sie darüber, ob die Rückgabe als Fortschritt oder als postkoloniale Arroganz zu werten ist. Diskutiert werden auch aktuelle Probleme des Landes wie Armut und Bildungsnotstand.
Silberner Bär für deutschen Regisseur
Vergeben wurden auch mehrere Silberne Bären. Einer ging an den deutschen Regisseur Matthias Glasner für das Drehbuch seines Dramas "Sterben". In dem Film hat der Regisseur die komplexe Beziehung zu seiner Familie verarbeitet. Glasner hatte vorab die Sorge, dass das Drama vielleicht zu persönlich sei. Doch viele Menschen habe es berührt. "Das hat sich irgendwie gelohnt, dass wenn man sich selber so doll öffnet, dass andere sich dann auch öffnen", sagte der 59-Jährige nach der Preisverleihung.
Der Grosse Preis der Jury ging an die melancholische Komödie "Yeohaengjaui pilyo" ("A Traveler's Needs") des südkoreanischen Regie-Veteranen Hong Sangsoo mit Isabelle Huppert in der Hauptrolle. Der rumänisch-US-amerikanische Schauspieler Sebastian Stan wurde zum besten Hauptdarsteller für seine Leistung in der Tragikomödie "A Different Man" gekürt.
Die Britin Emily Watson bekam den Preis für die beste Nebenrolle in "Small Things Like These". Das irisch-belgische Drama mit "Oppenheimer"-Star Cillian Murphy hatte die diesjährige Berlinale eröffnet. Watson kam mit einer Krücke auf die Bühne - sie habe einen gebrochenen Fuss, erklärte die 57-Jährige nach der Preisverleihung.
Der Franzose Bruno Dumont erhielt den Preis der Jury für die Sci-Fi-Parodie "L’Empire". Den Silbernen Bären für die beste Regie gewann Nelson Carlos De Los Santos Arias für "Pepe", ein Experimentalfilm über ein totes Nilpferd in Kolumbien.
Für eine herausragende künstlerische Leistung wurde der österreichische Kameramann Martin Gschlacht geehrt. Er erhielt den Preis für seine Arbeit am morbiden Historiendrama "Des Teufels Bad".
Palästinensischer Filmemacher fordert Ende von Waffenlieferungen nach Israel
Die Berlinale war in diesem Jahr besonders von politischen Debatten geprägt - so auch bei der Preisverleihung. Der palästinensische Filmemacher Basel Adra forderte Deutschland auf der Bühne auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Adra hatte mit drei anderen Filmemachern die Dokumentation "No Other Land" gedreht und dafür den Dokumentarfilmpreis gewonnen.
Schon während der Filmpremiere bei der Berlinale hatte das israelisch-palästinensische Kollektiv einen Waffenstillstand in Gaza gefordert. "No Other Land" dreht sich um die Vertreibung von Palästinenserinnen und Palästinensern in den Dörfern von Masafer Yatta, südlich von Hebron im Westjordanland. Mehrere Menschen trugen auf der Bühne einen Zettel mit der Aufschrift "Ceasefire Now" (etwa: "Feuerpause jetzt"), zum Beispiel die Französin Véréna Paravel aus der Dokumentarfilmpreis-Jury.
Die Berlinale gehört neben Cannes und Venedig zu den grossen Filmfestivals der Welt. 2023 hatte der Dokumentarfilm "Sur l'Adamant" den Goldenen Bären gewonnen.