Weniger Menschen beziehen Sozialhilfe, © Keystone/Peter Klaunzer
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Weniger Menschen beziehen Sozialhilfe

In 12 von 14 Städten liegen die Sozialhilfequoten unter dem Niveau von 2019.

29.10.2024

In den Schweizer Städten sind die Sozialhilfequoten so tief wie schon lange nicht mehr. Dies zeigt der aktuelle Bericht "Sozialhilfe in Schweizer Städten". Auch die Zahl der Sozialhilfebeziehenden hat im Vergleich zum Vorjahr abgenommen, im Durchschnitt der 14 beteiligten Städte um 4.3 Prozent. Was die städtischen Sozialdienste jedoch herausfordert, ist der zunehmende Anteil von Personen mit psychischen Beeinträchtigungen in der Sozialhilfe.

Gemäss Einschätzung von 14 Städten sind psychische Belastungen von Sozialhilfebeziehenden ein gewichtiges Thema. Sie schätzen, dass rund ein Viertel ihrer Klientinnen und Klienten psychisch so stark belastet sind, dass sie in ihrem Alltag relevant beeinträchtigt sind. 13 Städte geben an, dass der Anteil der Sozialhilfebeziehenden mit starken psychischen Belastungen in den letzten fünf Jahren gestiegen ist.

Psychische Gesundheit: Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen erkannt

Viele städtische Sozialdienste engagieren sich bereits in der Weiterbildung ihrer Sozialarbeitenden und organisieren fachliche Beratung rund um das Thema psychische Erkrankungen. Noch fehlt aber vielerorts ein systematisches Vorgehen und genügend Zeit, um komplexe Fälle zu begleiten und die Zusammenarbeit aller involvierten Institutionen (zum Beispiel Wohnhilfe, Beistandschaft, Gesundheitswesen) zu koordinieren.

Als grosse Herausforderung nennen praktisch alle Städte die fehlenden Kapazitäten auf Seite der psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung. Das Angebot an niederschwelligen, zeitnah verfügbaren Abklärungs- und Therapiemöglichkeiten ist gemäss den befragten Städten oft nicht ausreichend.

Nicolas Galladé, Präsident der Städteinitiative Sozialpolitik betont: "Die Sozialhilfe kann die Lücken im Gesundheitswesen nicht schliessen. Aber sie kann das Thema psychische Gesundheit stärker fokussieren und ihren Beitrag für eine gute Zusammenarbeit mit dem gesamten Hilfesystem leisten."

Rückläufiger Trend in der Sozialhilfe setzt sich fort

In 12 von 14 Städten lagen 2023 die Sozialhilfequoten unter dem Niveau von 2019. In elf Städten sogar unter dem Niveau von vor zehn Jahren. Die Sozialhilfequote misst den Anteil der sozialhilfebeziehenden Personen an der gesamten Wohnbevölkerung. Auch die absolute Zahl der Sozialhilfebeziehenden hat im Vergleich zum Vorjahr in fast allen Städten abgenommen, im Durchschnitt um 4.3 Prozent. Der rückläufige Trend in der Sozialhilfe setzt sich damit fort. Zu diesen Resultaten kommt der Bericht "Sozialhilfe in Schweizer Städten - Kennzahlen 2023 im Vergleich", herausgegeben von der Städteinitiative Sozialpolitik.

Ein wesentlicher Hintergrund für diese Entwicklung ist die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt, was im Vergleich zum Vorjahr zu weniger Neueintritten in die Sozialhilfe führt. "Das bedeutet auch, dass vorgelagerte Massnahmen wie Aus- und Weiterbildungen oder andere Sozialleistungen greifen", erklärt Émilie Moeschler, Vizepräsidentin der Städteinitiative Sozialpolitik.

Die Risikofaktoren für den Sozialhilfebezug ändern nicht

Nach wie vor gibt es aber Bevölkerungsgruppen, die ein erhöhtes Risiko haben, auf Sozialhilfe angewiesen zu sein: Kinder, junge Erwachsene, Personen ausländischer Herkunft oder Einelternhaushalte. Im Mittel werden in den 14 Städten rund 23% aller Einelternhaushalte durch die Sozialhilfe unterstützt. "Es handelt sich dabei vor allem um Frauen mit minderjährigen Kindern, die Teilzeit arbeiten", erklärt Émilie Moeschler. "Wir müssen unsere Anstrengungen fortsetzen, um Armut zu bekämpfen, zum Beispiel durch die Förderung der Berufsbildung und die Vermittlung von Grundkompetenzen."

Die Kennzahlen zur Sozialhilfe in Kürze

Sozialhilfequoten so tief wie schon lange nicht mehr: In 12 von 14 Städten liegen die Sozialhilfequoten unter dem Niveau von 2019. In elf Städten sogar unter dem Niveau von vor zehn Jahren.

Zahl der Sozialhilfebeziehenden nimmt ab: Im Vergleich zum Vorjahr nimmt die Zahl der Sozialhilfebeziehenden in fast allen Städten ab, im Durchschnitt um 4.3 Prozent.

Die Armutsrisiken bleiben dieselben: Besonders oft auf Unterstützung angewiesen sind Kinder und Jugendliche, Geschiedene, Ausländerinnen und Ausländer sowie Personen ohne anerkannten Berufsabschluss.

Viele Sozialhilfebeziehende mit psychischen Problemen: Rund ein Viertel der Klientinnen und Klienten sind wegen psychischer Belastungen in ihrem Alltag eingeschränkt. Dies zeigt eine Schätzung von 14 städtischen Sozialdiensten.

Mangelnde Ressourcen und fehlende Angebote für psychisch kranke Menschen: In den meisten Städten ist das Angebot an zeitnah verfügbaren Abklärungs- und Therapiemöglichkeiten ungenügend, besonders für Kinder und Jugendliche.

14 Städte im Vergleich: Im aktuellen Kennzahlenbericht "Sozialhilfe in Schweizer Städten", sind 14 Städte vertreten: Basel, Bern, Biel, Chur, Lausanne, Luzern, St. Gallen, Schaffhausen, Schlieren, Uster, Wädenswil, Winterthur, Zug und Zürich. In diesen 14 Städten lebt rund ein Viertel aller Sozialhilfebeziehenden der Schweiz.

Faktenbasierte wissenschaftliche Erkenntnisse: Der Standardteil wurde vom Bundesamt für Statistik auf der Basis der Schweizerischen Sozialhilfestatistik erstellt. Der Fokus auf psychische Gesundheit wurde von Dr. Michelle Beyeler; Privatdozentin an der Universität Zürich, erarbeitet. Auftraggeberin ist die Städteinitiative Sozialpolitik.

Die Städteinitiative Sozialpolitik ist eine Sektion des schweizerischen Städteverbands und vertritt die sozialpolitischen Interessen von rund 60 Schweizer Städten aus allen Regionen. Sie setzt sich für ein kohärentes System der sozialen Sicherung und eine gute Zusammenarbeit von Städten, Bund und Kantonen ein.

"Sozialhilfe in Schweizer Städten" ist ein Vergleich von Kennzahlen der Sozialhilfe aus 14 Städten, basierend auf der Schweizerischen Sozialhilfestatistik. Der Bericht wird seit 1999 jährlich von der Städteinitiative Sozialpolitik herausgegeben. Ziele sind das Erkennen von Trends und best practice in den Städten sowie die Versachlichung der öffentlichen Diskussion über die Sozialhilfe.